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Endlich wieder Zinsen
Nach mehr als zehn Jahren einer ultralockeren Geldpolitik, die bestimmt war von einem Null-Zinssatz und schließlich dem Kauf von Anleihen staatlicher und privater Emittenten ist die EZB nun zur Normalität zurückgekehrt.
Dabei war der Anstieg von 0 auf 0,5 Prozent deutlicher als angesichts jahrelanger Abwehr zu erwarten gewesen wäre. Und nun hat Christine Lagarde bereits angekündigt, dass dies nur der erste Schritt sei. Spätestens ab September stehen weitere Zinserhöhungen ins Haus. Die Inflation ist nicht nur in Deutschland und Europa zum Problem geworden, auch in den USA erreicht die Teuerung Rekordhöhen. Andere Zentralbanken außerhalb der Eurozone haben zur Gegenwehr ihre maßgeblichen Zinsen erhöht. Bei der Fed ist man bereits bei einer Spanne zwischen 2,25 bis 2,50 Prozent angekommen. Und das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht – angekündigt sind weitere Erhöhungen. Angesichts einer Inflationsrate im Juni von 15,6 Prozent hat die polnische Zentralbank ihren Zinssatz auf 6,5 Prozent erhöht.
Nicht nur ein Leitzins
Wichtig zum Verständnis der Leitzinserhöhungen durch die EZB ist zunächst, dass es nicht den einen Leitzins gibt, sondern drei Leitzinsen, welche durch die Europäische Zentralbank festgelegt werden. Der wichtigste ist wohl der Zinssatz für das Hauptrefinanzierungsgeschäft. Zu diesem Zinssatz leihen sich die Geschäftsbanken Geld, das sie anschließend ihren Kreditkunden zur Verfügung stellen. Daneben steht die Spitzenrefinanzierungsfazilität, zu der die Banken kurzfristig (über Nacht) Liquidität zur Verfügung bekommen. Schließlich besteht bei der Einlagefazilität noch ein Zinssatz, den Geschäftsbanken erhalten, wenn sie ihr Geld bei der EZB lagern. Der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierung liegt nun bei 0,75 Prozent. Bei den Einlagen der Banken ist er auf 0 Prozent gesetzt worden, damit also abgeschafft.
Wenn in den Medien von der Leitzinserhöhung der EZB die Rede ist, geht es meist um die Hauptrefinanzierungsfazilität, denn diese spielt eine entscheidende Rolle, wenn es um die Auswirkungen auf die Sparer und Kreditnehmer geht. Die Banken geben diese Kosten weiter. Die Sparer erhalten wieder Geld für Einlagen und wer einen Kredit beantragt, muss höhere Zinsen zu tragen.
Das aber sind nur die sichtbarsten Folgen, die sich aus der jüngsten Entscheidung ergeben. Die EZB hat die gesamte Volkswirtschaft im Blick, sie ist verpflichtet, für stabile Preise zu sorgen und den Wert des Euro zu erhalten. Leitend für sie ist eine Steigerung der Verbraucherpreise von rund 2 Prozent im Jahr. Diese leichte Preissteigerung wird angestrebt, weil sie Verbraucher damit zum Konsum anregt und Unternehmen zu Investitionen. Es ist der Wirtschaft nämlich nicht damit gedient, dass die Bürger ihr Geld nicht ausgeben und auch nicht damit, dass Unternehmen weniger investieren, weil die Preise für ihre Produkte auch nicht steigen. Leichte Steigerungen der Preise regen zum Konsum an und treiben die Lust auf höhere Gewinne. Gäbe es keine Preiserhöhungen, würde die Wirtschaft stagnieren. Damit die Inflation nicht zu hoch wird, muss die EZB die Leitzinsen erhöhen. Es wird nun weniger konsumiert und es lohnt sich eher, Geld zur Bank zu tragen, weil es dort wieder Zinsen gibt. Das Geld wird also wertvoller, die Geldmenge geht zurück. Und auch die Unternehmen würden in ihrer Expansion aufgrund billigen Geldes gebremst. Tatsächlich würde auch eher eine angemessene Auslese unter marktgerechten Unternehmen und ihren Produkten und Dienstleistungen stattfinden. So war es ein besonders negativer Effekt des ultrabilligen Geldes, dass sich selbst Betriebe in Schieflage und ohne funktionierendes Geschäftsmodell durch eine günstige Fremdfinanzierung über Wasser halten konnten.
Hält der Immobilienmarkt?
Dabei dürfen die Wirkungen der Zinspolitik der EZB, wie sie hier idealtypisch beschrieben wurden, nicht überschätzt werden. Die über zehn Jahre in der Politik des billigen Geldes bei einem Leitzins in Höhe von 0 Prozent haben nicht zur Inflation geführt, wie viele befürchtet hatten. Nur in wenigen Sektoren, etwa bei den Immobilien in Deutschland, hatten sich die Preise mehr als verdoppelt. Das hat auch damit zu tun, dass die feste Anlage bei der Bank nur wenig Zinsen brachte (Betongold) und dass schließlich die Finanzierung aufgrund der geringen Kreditzinsen besonders günstig war. Noch bevor die EZB ihren ersten Zinsschritt getan hatte, waren die Kosten für einen Immobilienkredit deutlich gestiegen: Die Zinsen für den Wohnungsbau bei zehnjähriger Zinsbindung haben sich verdreifacht. Häuser werden in Deutschland aber oft über einen noch längeren Zeitraum finanziert. Wer jetzt eine Anschlussfinanzierung braucht, muss deutlich tiefer in die Tasche greifen. Schon werden erste Stimmen laut, die Befürchtungen äußern, dass der Immobilienboom zu Ende gehe und die entsprechenden Sicherheiten für die Finanzierung in den Büchern der Banken weniger Wert würden.
Angesichts weltweiter Zinserhöhungen und der demgegenüber eher zögerlichen Haltung der Europäischen Zentralbank hat der Euro gegenüber dem Dollar deutlich an Wert verloren. Die hohen Zinsen in den USA sorgten für mehr Nachfrage für den Dollar. Der Euro wird schwächer, eine Parität der beiden Währungen ist zu befürchten. Vor einem Jahr kostete 1,00 Euro noch mehr als 1,20 Dollar, nun nur noch 1,04 Dollar. Die EZB ist also gehalten, weitere markante Zinserhöhungen in Gang zu setzen, will sie nicht, dass die Währungen weiter auseinanderdriften.
Direkt spürbar wird durch die Reduzierung des Einlagensatzes auf 0 Prozent der Wegfall eines Ärgernisses für viele Sparer. Manche Klagen waren anhängig geworden, weil Banken ein Verwahrentgelt verlangten, das meist bei 0,5 Prozent lag, in manchen Fällen aber bereits Guthaben von 5.000 oder 10.000 Euro betraf. Damit ist nun Schluss, die meisten Banken haben das Entgelt auf die Sparguthaben abgeschafft.
Im Auge zu behalten ist, dass eine Inflation natürlich nicht nur von der Geldmenge bestimmt wird. Ganz entscheidend, gerade in der aktuellen Situation, ist die Knappheit bei manchen Gütern, vor allem aus dem Energiebereich, die die Preise steigen lässt. Dennoch geht die EZB in die richtige Richtung – sie sollte das Tempo ihrer Zinsschritte nur noch ein wenig beschleunigen.
Quellen: Bundesfinanzministerium Deutschland, EZB, Tagespresse
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Mag. Gerhard M. Weinhofer
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