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Zahlungsausfälle treiben Insolvenzen in Westeuropa
Im Mai 2023 hatte die Creditreform Wirtschaftsforschung die europäischen Insolvenzzahlen für das Jahr 2022 veröffentlicht. In Westeuropa war es im Zuge der fortgesetzten Krisen zu einer markanten Steigerung bei den Unternehmensinsolvenzen gekommen.
ESG goes global
Die Untersuchung hat fast 3.000 Exporteure in den wichtigsten Wirtschaftsnationen des Westens befragt – von Deutschland über Polen und Großbritannien bis zu den USA. Der Fokus der Veröffentlichung liegt bei den deutschen Exporteuren, deren Antworten an dieser Stelle wiedergegeben werden sollen, denn der Export spielt für Deutschland eine besondere Rolle. Die Schlüsselindustrien von den Automobilherstellern über die Chemie bis zum Maschinenbau sind auf die Ausfuhr ihrer Güter in besonderem Maße angewiesen. Aktuell gewinnt der Export in der wirtschaftlichen Flaute eine besondere Rolle, soll er doch die Probleme der Binnenkonjunktur, insbesondere des zurückhaltenden Konsums, kompensieren. Während der private Verbrauch unter der immer noch hohen Inflation leidet, bedrückt den Export der wachsende Protektionismus der Staaten und die Lieferengpässe besonders. Dabei liegen die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den Lieferketten aktuell weniger bei politisch gesteuerten protektionistischen Maßnahmen und Engpässen bei der Herstellung in Drittländern als bei den neuen gesetzlichen Standards, die durch die ESG-Maßnahmen bestimmt werden. Nach Aussage der Allianz Trade geht es den betroffenen Unternehmen kurzfristig darum, umweltschonendere Maßnahmen im Zusammenhang mit den Transporten einzuführen und die Aufmerksamkeit bei den Gesundheits- und Sicherheitsstandards der Zulieferer zu verstärken. „Lieferketten-Schwierigkeiten und logistische Hürden liegen Unternehmen in Deutschland besonders schwer im Magen und stellen erneut das Toprisiko der Umfrage“, so der Versicherer. Immerhin sind die Schwierigkeiten zu bewältigen, die viel befürchtete Deglobalisierung durch Verlegungen in Nachbarländer steht nicht zur Debatte.
Und dann auch noch der Zahlungsausfall
Neben diesen strukturellen Problemen im Welthandel bedrückt die Gefährdung des Working Capital durch Zahlungsverzug und Zahlungsausfall deutsche Unternehmen beim Export. Es ist schon bemerkenswert, wenn 92 Prozent der Betriebe, die sich mit Ausfuhren beschäftigen, Zahlungsausfälle als „Herausforderung“ bezeichnen. Mehr als zwei Drittel der Befragten schließlich gab an, dass diese Ausfälle ihr Geschäft moderat bis erheblich beeinträchtigen. Sorgen machen vor allem die steigenden Zahlen: So rechnen 46 Prozent der Exporteure mit zunehmenden Zahlungsausfällen – 2022 waren es noch 30 Prozent gewesen (allerdings fand diese Befragung vor dem Krieg in der Ukraine zu Anfang des Jahres statt). Dabei handelt es sich nicht um „German Angst“, denn weltweit liegen die Befürchtungen in ähnlichen Größenordnungen. Insgesamt erwarten 40 Prozent der Unternehmen Zahlungsausfälle, 2022 waren es noch 29 Prozent. Wenig verwunderlich, dass dieses Risiko dazu führt, weniger neue Märkte zu erschließen. Dabei ist ein Zusammenhang mit der Zinspolitik der Zentralbanken, die in den relevanten Ländern auf Zinserhöhungen setzen, sicher ein nicht unerheblicher Faktor. Um Liquidität zu schöpfen, bietet sich der Lieferantenkredit geradezu an. Dabei werden Zahlungsziele ausgenutzt oder sogar überschritten, ist dies doch immer noch billiger als die teurere Umsatzfinanzierung durch die Bank.
Pleite der Kunden im Ausland
Von der Entwicklung der Insolvenzen in Westeuropa war bereits die Rede. Auch der Kreditversicherer analysiert das internationale Insolvenzgeschehen bei den Unternehmen und rechnet damit, dass nicht nur in Deutschland die Zahlen um mehr als 20 Prozent in 2023 zulegen werden, sondern es auch in ganz Westeuropa zu einem deutlichen Plus – 24 Prozent – im laufenden Jahr kommen wird.
Überdurchschnittlich werden die Unternehmensinsolvenzen nach Aussage von Allianz Trade in den Niederlanden mit 52 Prozent, in Frankreich mit 41 Prozent, in Irland mit 30 Prozent und in Italien mit 25 Prozent zulegen. Was in Deutschland 2023 trotz der Zunahme noch nicht erreicht ist, nämlich das Vorkrisen-Niveau von 2019, wird in den anderen Ländern bereits überschritten. Gegenüber 2019 erwartet man für Spanien ein Plus von 75 Prozent, für UK von 29 Prozent und bei Dänemark, Irland und der Schweiz immer noch rund plus 18 Prozent.
Ein wenig Entwarnung kann die Analyse der Creditreform Wirtschaftsforschung geben. Immerhin hatte sich die Außenstandsdauer nach einem sprunghaften Anstieg im ersten Krisenjahr 2020 im Jahr 2021 wieder verringert – 2021 im Durchschnitt aller Länder auf 50,5 Tage (2020: 52,0 Tage). Dabei liegen diese Werte deutlich unter denen der „guten Jahre“ zwischen 2012 und 2018, als Forderungslaufzeiten von bis zu 56,5 Tagen üblich waren. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass es große Unterschiede bei den einzelnen Ländern gibt. Negativer Spitzenreiter bleibt Italien mit mehr als 85 Tagen Außenstandsdauer. Es folgt Spanien mit 56 Tagen – der Vergleichswert für Deutschland lag 2021 bei 29 Tagen. Die Unternehmen im Export geben der Krise und den möglichen Schwierigkeiten ihrer Abnehmer nach. Tendenziell wurden die Zahlungsziele wohl krisenbedingt erhöht. Auch hier gibt es einen markanten Unterschied zwischen den Ländern. Während in Deutschland das durchschnittliche Zahlungsziel 14,8 Tage betrug, lag es in Italien bei 59,3 Tagen.
Die Insolvenzen in Westeuropa steigen auf breiter Front, sind aber noch entfernt von den Werten in den Jahren der Vordekade. Doch die Betriebe, die exportieren, sehen die Problematik und werden vorsichtiger bei der Auswahl ihrer Kunden und Abnehmer.
Quellen: Allianz Trade, Creditreform Risikomanagement-Newsletter 09/2023
Fotos: Adobe Stock - Syda Productions/Pcess609/Miha Creative
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Mag. Gerhard M. Weinhofer
Unternehmenskommunikation
Mitglied der Geschäftsleitung